Blendle: digitaler Zeitungskiosk im Test
Blendle ist ein digitaler Zeitungskiosk, der den Kauf einzelner Artikel aus Tageszeitungen ermöglicht. Kunden müssen nicht die ganze Zeitung erwerben, sondern können online Einzelartikel kaufen und diese dann lesen. Zusätzlich zur Webseite kann der Kauf und das Lesen auch über die Blendle Apps für iOS und Android erfolgen. Ist Blendle die bessere Alternative zur Tageszeitung?
Seit kurzem ist Blende in Deutschland verfügbar. Das Unternehmen hinter dem Service stammt aus den Niederlanden und bietet dort sehr erfolgreich Einzelartikel aus vielen lokalen, überregionalen und internationalen Tageszeitungen an. Für den Deutschlandstart erhalten alle Neukunden kostenlos 2,50 Euro Startguthaben, um Blendle unverbindlich testen zu können.
Blendle: digitaler Zeitungskiosk Testberich
Dieser Testbericht zu Blendle fasst eine Woche Nutzung des Service zusammen. Wie schlägt sich der Dienst bei der Nutzung, was bietet Blendle seinen Kunden, was Tageszeitungen nicht bieten?
Was ist Blendle
Mit Blendle kaufen Kunden nur die Artikel aus einer Zeitung oder eines Magazins, die sie wirklich lesen möchten. Dem Leser werden Artikel nach Themen sortiert in einer Übersicht angezeigt. Zu jedem Artikel ist die Überschrift, der Untertitel und die Einführung lesbar. So kann sich der Leser einen Eindruck vom Inhalt des Zeitungsartikels machen und entscheiden, ob dieser gekauft werden soll oder nicht.
Beim Durchblättern der Artikel lassen sich diese zum „Später lesen“ markieren. Das löst noch keinen Kauf über Blendle aus sondern erlaubt das Speichern von interessanten Beiträgen. Neben jedem Artikel ist auch der Preis zu sehen, den die Verlage für diesen Artikel verlangen. Hier finden sich Preise zwischen 0,25 Euro und 1,99 Euro.
Gekauft wird ein Artikel erst, wenn diese vollständig durch den Leser geöffnet wird. Auf dem Desktop Browser öffnet ein Artikel in einem neuen Tab. Dann gilt dieser Artikel als gekauft und steht dem Leser dauerhaft in Blendle zur Verfügung. Auf allen Geräten.
Leser können zudem ganze Ausgaben einer Zeitung oder eines Magazins aufrufen, online in Blendle durchblättern und sich per Vorschau die Einführung zum Artikel durchlesen. Ebenso ist es möglich, die vollständige Ausgabe online über Blendle zu kaufen.
Das Angebot zum Deutschlandstart auf Blendle ist übersichtlich. Es finden sich einige überregionale Tageszeitungen wie Die Zeit, Die Welt oder Frankfurter Allgemeine. Auch der Spiegel, der Stern, Gala oder kicker sind vertreten. Zudem gibt es einige regionale Tageszeitungen wie die Thüringer Allgemeine oder das Göttinger Tagesblatt. Auch internationale Publikationen sind in Blendle vertreten wie die Washington Post oder The Economist.
Zusätzlich zum Durchstöbern der Zeitungen lassen sich auch Benachrichtigungen zu bestimmten Themen oder Autoren einrichten. Blendle informiert den Nutzer, wenn ein bestimmtes Stichwort, beispielsweise Bitcoin, in einem Artikel auftaucht.
Eine wirklich interessante Funktion ist die „Geld-zurück-Option“ am Ende eines jeden gekauften Beitrags. Sollte ein Artikel versehentlich gekauft worden sein oder hat dem Leser der Inhalt nicht gefallen, lässt sich der Kauf rückgängig machen. Gleichzeitig kann man Blendle über den Grund informieren.
Wie werden die Artikel auf Blendle bepreist?
Blendle berät die Verlage zur Preisgestaltung, den Kaufpreis legen die Verlage letztendlich aber selbst fest. In der Regel sind längere Artikel teurer, allerdings nicht immer. Je nach Verlag finden sich ganz unterschiedliche Preise. Die Süddeutsche Zeitung ruft für fast jeden Artikel 0,79 Euro ab. Nur einige wenige und sehr kurze Artikel kosten 0,50 Euro.
Bei 11Freunde kosten Beiträge zwischen 0,29 Euro und 0,89 Euro. Im Spiegel wird ein vierseitiger Artikel für 1,99 Euro angeboten. Die ganze Zeitschrift kostet 3,99 Euro kosten. Der Leser würde für 4 Seiten inklusive Bild die Hälfte des Kaufpreises der ganzen Zeitschrift bezahlen.
Interessant ist, dass die internationalen Zeitungen deutlich günstigere Preise pro Zeitungsartikel auf Blendle verlangen. Der Leser zahlt hier zwischen 0,19 Euro und 0,29 Euro pro Artikel und somit oft nur ein Drittel des Preises den deutsche Verlage für ihre Beiträge verlangen.
Was genau bietet Blendle dem Nutzer?
Blendle möchte weniger Nachrichten sondern vielmehr Artikel den Lesern anbieten. Nachrichten sind austauschbar und kostenlos überall zu bekommen. Spannende Interviews, Reportagen oder Berichte sind das, was Leser zum Kauf eines Magazins oder einer Zeitung bewegen.
In der Regel wird jedoch nicht die ganze Ausgabe gelesen sondern nur einzelne Beiträge. Genau hier setzt die Idee von Blendle an. Leser sollen nur das kaufen und bezahlen müssen, was sie wirklich interessiert und lesen möchten.
Blendle ist nichts für Nachrichtenleser sondern für Personen, die sich zu ganz bestimmten Themen informieren möchten. Die spannende Beiträge lesen wollen ohne dabei an einen Verlag gebunden zu sein. Leser die sich die Rosinen aus den einzelnen Zeitungen picken möchten.
Kritik an Blendle
Die Blendle App unter Android (und vermutlich auch iOS) ist sehr intuitiv und das Lesen von Artikel gestaltet sich als einfach und angenehm. Allerdings besteht aus der Blendle-App heraus keine Möglichkeit in das Kundenkonto einzusehen beziehungsweise dieses aufzuladen. Wenn das Geld weg ist, ist es eben weg und es können keine Artikel mehr gekauft werden. Naja fast.
Auf dem unteren linken Screenshot wurde mir ein Artikel trotz nicht mehr ausreichendem Guthaben zur Verfügung gestellt. Eine sehr feine Geste von Blendle. Hier wird offensichtlich nicht auf den letzten Cent geachtet.
Zudem lässt sich Blendle nicht starten, wenn das Smartphone im Flugmodus ist. Das bedeutet zuvor gekaufte Artikel stehen dem Nutzer im Flugmodus auf dem Smartphone nicht zur Verfügung. Das ist ärgerlich und hier sollte auf jeden Fall nachgebessert werden.
Ebenfalls ist die Preisgestaltung der Artikel vieler Verlage zu bemängeln. Mit dem kostenlosen Startguthaben von Blendle in Höhe von 2,50 Euro konnte ich mir exakt 6 Artikel kaufen. Wobei für den letzten Artikel mein Guthaben eigentlich nicht mehr ganz ausreichte, Blendle aber ein Auge zugedrückt hat.
Einige Verlage überschätzen hier den Mehrwert eines einzelnen Artikels. Ein gutes Beispiel ist hier die Süddeutsche Zeitung, deren Preisgestaltung schon fast raffgierig erscheint. Die Einzelausgabe kostet 1,99 Euro. Fast jeder Artikel (mit einigen wenigen Ausnahmen) kostet 0,79 Euro. Gleiches gilt für das oben genannte Beispiel aus dem Spiegel.
Wenn mein Startguthaben von 2,50 Euro für nur sechs Artikel reicht, eine Tageszeitung am Kiosk aber oft unter 2 Euro kostet, fühle ich mich als Kunde abgezockt.
Persönlich sehe ich hier die Gefahr, dass zu hohe Preise für Einzelartikel die generelle Kaufbereitschaft der Blendle Nutzer reduziert. Insbesondere wenn der Artikel in unter einer Minute gelesen ist, sind 0,79 Euro vollkommen überzogen.
Persönliche Meinung
Den größten Knackpunkt für die Akzeptanz von Blendle sehe ich in der Preisgestaltung der Beiträge. Im Zeitschriftenabo kosten viele Tageszeitungen unter einem Euro. Andere Zeitungen kosten am Kiosk zwischen 1,50 Euro und 2,99 Euro. Leser die täglich diese Beträge für Nachrichten und Artikel ausgeben, müssen einen echten Mehrwert erhalten, wenn Einzelartikel auf Blendle 0,79 Euro kosten.
Anstatt auf einen hohen Preis pro Artikel zu zielen, sollten Verlage ihre Kunden durch sehr günstige Preise zum Lesen animieren. Ich kann mir hier auch durchaus eine Abo-Modell wie bei Spotify vorstellen. Für 10 Euro im Monat so viele Artikel über Blendle lesen wie man möchte. Bezahlt werden die Verlage nach Nutzung.
Blendle bietet den Zeitungsverlagen eine unglaubliche Chance neue Leser zu erreichen. Mit Blendle lässt sich die Smartphone Generation erreichen. Die jungen Menschen, die im Zug und in der Bahn ohne Tageszeitung aus Papier sitzen. Blendle zeigt den Verlagen sehr genau, was die Leser interessiert und was nicht. Unnütze Rubriken und Kostenfresser lassen sich so wegrationalisieren.
Und Blendle ist die schöne Version eines PayWalls. Etwas, das keiner auf einer Webseite sehen möchte, aber über Blendle durch den gebotenen Mehrwert umgesetzt werden kann. Denn der Mehrwert für den Leser liegt in der Möglichkeit alle Zeitungen und Zeitschriften über eine Stelle aufrufen können.
Jetzt liegt es an den Verlagen das Ruder herumzureisen. Die Chance zu nutzen und wieder mehr Reichweite zu generieren.
Quelle: Blendle
Geek, Blogger, Consultant & Reisender. Auf seiner Detail-Seite findest du weitere Informationen über Benjamin. In seiner Freizeit schreibt Benjamin bevorzugt über Technik-Themen. Neben Anleitungen und How-To’s interessieren Benjamin auch Nachrichten zur IT-Sicherheit. Sollte die Technik nicht im Vordergrund stehen, geht Benjamin gerne wandern.