girogo: 5 Gründe wieso diese Methode zum kontaktlosen Bezahlen scheitern wird!
Schon von girogo gehört? Nein? Dann hole ich euch kurz mit ins Boot. Die deutschen Banken und Sparkassen haben 2012 den Dienst zum kontaktlosen Bezahlen ins Leben gerufen. Nach und nach sollen alle Girocards (ehemals EC-Karten) mit dieser Funktion ausgestattet werden. Kunden die schon Karten mit der girogo-Funktion haben, können an Bezahlterminals (ec-Terminals) im deutschen Einzelhandel, an Automaten und an NFC-fähigen Smartphones bezahlen.
Alte EC-Karten lassen sich nachträglich nicht mit der Funktion ausrüsten, da ein zusätzlicher Chip in der Karte benötigt wird. Dieser Chip nutzt den internationalen Übertragungsstandard Nahfeldkommunikation, auch als Near Field Communication (NFC) bekannt. Soweit so gut und auch keine schlechte Idee, denn Bargeld ist unpraktisch und kann leicht gestohlen werden. Und trotzdem wird girogo, so wie es aktuell ist, scheitern.
5 Gründe wieso girogo scheitern wird
Dabei ist die Grundidee von girogo wirklich gut und die deutschen Banken und Sparkassen hätten mit ihren 45 Millionen ausgegebenen Karten das Potential einen Standard zu schaffen. Und trotzdem wurde das Chance verpasst. Fünf Gründe wieso girogo sich nicht durchsetzen wird.
Schlechtes Marketing
Wer eine Idee auf den Markt bringt in der Absehbar auch die Konkurrenz unterwegs sein wird, muss aggressiv vorgehen und gutes Marketing betreiben. Viele Bankkunden, auf jeden Fall zwischenzeitlich fast alle Sparkassenkunden, haben die girogo-Funktion schon. Bitte was?
Ja! Alle Girocards die seit 2012 ausgelaufen sind, wurden durch eine Karte mit der girogo-Funktion ersetzt. Schaut mal auf die Rückseite eurer Karte. Die meisten Kunden haben das nicht mitbekommen. Sehr schlechtes Marketing. Lediglich einige Sparkassen erklären die Funktion auf ihren Webseiten.
Fernsehwerbung? Mediale Aufmerksamkeit? Fehlanzeige. Meine Girocard wurde 2014 ausgetauscht und ich habe keinen Hinweis auf die Funktionalität erhalten. Das Logo ist jedoch auf der Rückseite der Karte zu sehen. So wird nie eine kritische Masse an Nutzer erreicht.
Konkurrenz
Das schlechte Marketing führt zum nächsten Punkt. Wer den Markt nicht rechtzeitig erobert, wird von der Konkurrenz überrannt. ApplePay & Co stehen in den Startlöchern für den Deutschlandstart. Zudem ist mit dem Smartphone bezahlen sexy. Siehe nächsten Punkt: Prepaid.
Noch gibt es ApplePay nicht in Deutschland, noch hat girogo etwas Luft. Girogo hat jedoch folgendes Problem: Die meisten Apple-Kunden haben ihre Kontodaten schon in iTunes hinterlegt. Es wird nur noch die App für ApplePay benötigt. Wieso sollen sie dann noch die Girocard mit girogo aus dem Geldbeutel fummeln? Das Smartphone ist schneller griffbereit, viele tragen es zudem permanent in der Hand.
Prepaid
Wer die girogo-Funktion seiner Karte nutzen möchte, muss den Chip erst an einem Ladeterminal aufladen. Maximal 2oo Euro können auf der Karte gespeichert werden.
Optional gibt es auch eine Abo-Laden Funktion, bei der die Karte automatisch mit einem festgelegten Betrag (20 – 50 Euro) wieder aufgeladen wird. Dabei prüft das Händlertermin beim Bezahlvorgang, ob genügend Geld auf dem Chip ist und wenn nicht, wird die Karte direkt aufgeladen.
Das ist unpraktisch und unschön. Unpraktisch, da die Karte regelmäßig aufgeladen werden muss und unschön, da girogo sich wieder wie Bargeld verhält.
Wenn es weg ist, ist es weg. Es wird vom Girokonto auf die Karte gebucht und kann nur noch dort genutzt werden. Wie Bargeld liegt es unflexibel auf der Karte. Was passiert eigentlich, wenn die Girocard verloren oder kaputt geht? Oder jemand die Karte klaut? Die EC-Funktion einer Karte kann ich sperren lassen? Geht das auch mit der girogo-Funktion?
Bezahlen muss einfach und schnell sein. Das haben die Macher von girogo erkannt. Und dann wurde eine Prepaid-Karte daraus. Prepaid ist uncool. Prepaid ist unsexy. Prepaid ist unsicher?
Maximal 20 Euro
Mit girogo können Einkäufe bis maximal 20 Euro bezahlt werden. Das reicht für einen Singeleinkauf im Supermarkt, vielleicht auch noch für das Mittagessen, mehr aber auch nicht. Hinzukommt, dass viele Händler in Deutschland Kartenzahlungen erst ab 10 Euro akzeptieren. Zu zweit Essen gehen? Den Wocheneinkauf? Eine 4er-Karte im Nahverkehr mit der Bahn?
Wozu girogo, wenn ich es nicht nutzen kann?
Noch ein Wort zum Thema Konkurrent: Smartwatches. Den Geldbeutel am Handgelenk tragen. Wozu dann noch eine Plastikkarte die maximal 20 Euro über die Ladentheke schiebt?
Restguthaben?
Das Guthaben ist der Karte nicht anzusehen. Das muss manuell mit einem Taschenkartenleser, TAN-Generatoren, Chipkartenleser oder NFC-fähiges Smartphone mit entsprechender App geprüft werden. Oder ich rechne im Kopf mit. Wenn ich ein NFC-fähiges Smartphone habe, würde ich lieber das zum Bezahlen verwenden.
Persönliche Meinung
Seit 2012 arbeiten die deutschen Banken und Sparkassen an dem Dienst und drei Jahre später steckt kontaktloses bezahlen noch immer in den Kinderschuhen. Das zeigt, dass das Thema nicht richtig und nicht aggressiv genug angegangen wurde. Wäre es denn schlimm, wenn die Konkurrenz die deutschen Banken einfach überrollt?
Für die deutsche Banken wäre das schlecht. Denn pro Transaktion verdient der Emittent, also der Herausgeber der Karte ein paar Cent. Für den Kunden ändert das nichts. Die Händler bezahlen diese Gebühr. Und ganz nach dem Motto Kleinvieh macht auch Mist geht es hier jährlich um Millionen für die Banken.
Für die Banken ist es also durchaus kritisch girogo bei ihren Kunden zu platzieren. Ansonsten werden die Umsätze zukünftig über Apple, Google und PayPal abgewickelt und die deutschen Banken schauen in die Röhre.
Die Anbieter von girogo müssen hier nachbessern. Erinnert sich jemand noch an die Geldkarte? Eine elektronische Geldbörse die 1996 von den deutschen Banken ins Leben gerufen wurde und ähnlich wie girogo funktioniert. Nur ohne kontaktlos zu sein. Aber auch hier mussten Kunden die Karte erst aufladen um anschließend bezahlen zu können. Die Geldkarte konnte sich nie richtig durchsetzen. Wieso? Prepaid ist unpraktisch, aber das erwähnte ich schon.
Ein Argument für girogo
Nach all den negativen Äußerungen soll abschließend auf etwas positives hingewiesen werden. Im Unterschied zur Geldkarte entstehen für girogo deutlich schneller eine große Anzahl an Akzeptanzstellen. Der DSGV nennt für das Jahr 2014 41.000 Terminals an denen Kunden mit girogo bezahlen können. Für 2015 gibt es weitere Zusagen für 25.000 Terminals (IT-Finanzmagazin).
Diese Anzahl an Akzeptanzstellen werden durch mobile Lösungen erweitert. Die App Kasse2Go macht aus NFC-fähigen Smartphones einen mobilen Bezahlterminal.
Letztendlich entscheidet der Markt. Wenn Händler keiner Terminals anbieten, kann der Kunde seine girogo-Karte nicht nutzen. Wenn der Kunde Prepaid-Karten unpraktisch findet, dann bringen auch knapp 70.000 girogo-fähige Terminals bei den Händler nichts.
Geek, Blogger, Consultant & Reisender. Auf seiner Detail-Seite findest du weitere Informationen über Benjamin. In seiner Freizeit schreibt Benjamin bevorzugt über Technik-Themen. Neben Anleitungen und How-To’s interessieren Benjamin auch Nachrichten zur IT-Sicherheit. Sollte die Technik nicht im Vordergrund stehen, geht Benjamin gerne wandern.
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